WESTDEUTSCHE ZEITUNG 12.04.2010
VON JUSTINE KOCUR
DIAGNOSE Funktioniert der Verschluss der Speiseröhre nicht richtig, kann das zu Beschwerden in Hals und Nase führen.
Düsseldorf.
Ein üppiges Essen am Abend, dazu ein guter Wein und schon hat man wenig später das Dilemma: Sodbrennen. Diese saure Erfahrung haben die meisten Menschen schon mal gemacht. In den meisten Fällen treten die unangenehmen Beschwerden nur sporadisch auf— zum Beispiel nach fettigem Essen — und werden nicht chronisch. Fließt Magensäure jedoch regelmäßig zurück in die Speiseröhre — das ist der sogenannte pathologisch krankhafte Reflux — , weil der Verschluss der Speiseröhre nicht richtig funktioniert, muss die Ursache genau diagnostiziert werden. Denn was viele Betroffene nicht wissen: Reflux kann auch eine chronische Bronchitis, Kehlkopferkrankungen, Entzündungen der Nasennebenhöhlen und des Mittelohrs, Symptome eines Hörsturzes, Asthma und das sogenannte Globusgefühl — eine Art Kloßgefühl im Hals — verursachen.
Ein typisches Beschwerdebild ist der Kloß im Hals
„Wir sehen sekundäre Zeichen des Refluxes an der Nase, an den Ohren und im Mund — also Dinge, die mit der Speiseröhre normalerweise nicht in Verbindung gebracht werden“, berichtet Dr. Hans Michael Strahl, Arzt für Hals-, Nasen- und Ohrenheilkunde im Düsseldorfer HNO-Zentrum.
Ein typisches Beschwerdebild ist der Kloß im Hals. Während einige solche Symptome als psychosomatisch abtun, schaut Strahl genauer hin: „Mit Hilfe der Endoskopie sieht man, dass die Gase hochkommen. Da sie aber nicht unbedingt Sodbrennen auslösen, werden HNO-Beschwerden und Reflux oft nicht in Verbindung gebracht.“
Der Grund für den Zusammenhang liegt in der Anatomie: Der gesamte Kopf- und Halsbereich ist verbunden, sodass aufsteigende Säure und aggressive Partikel wie Gallenfarbstoffe oder Pepsin die Schleimhäute „auf Dauer verätzen, verschleimen und damit verändern können“, sagt Strahl.
Bei wie vielen Patienten ein Zusammenhang zwischen HNO-Erkrankung und Reflux besteht, lasse sich nicht beziffern, so Strahl.
Immerhin bieten er und sein Kollege Matthias Meisel gemeinsam mit Konstantinos Zarras, Chefarzt der Klinik für Allgemein Unfall- u. Viszeralchirurgie am Vinzenz-Krankenhaus, einmal pro Woche die so genannte transnasale Endoskopie an und ziehen bisweilen einen Lungenarzt oder Logopäden hinzu.
Bei der transnasalen Endoskopie wird ein wenige Millimeter dicker Schlauch (Endoskop) durch die Nase und den Rachen in den Magen geführt. Er erlaubt zugleich den Blick in die Speiseröhre und die Möglichkeit, den Verschluss zwischen Magen und Speiseröhre auch von unten zu betrachten. „Die transnasale
Endoskopie provoziert keinen Würgreiz“, so die Mediziner. „Zudem ist sie schmerzfrei, die Patienten brauchen keine Betäubung.“ Hinzu kommt, dass die Patienten bei der UnterSitchung essen, trinken und sprechen können, so dass die Ärzte eine reale, keine künstliche Situation beobachten.
„Die Partikel wirken im Endoskop wie Schneegestöber, sind also gut sichtbar“, so Strahl.
Je nach Befund und Schwere der Erkrankung raten die Mediziner dann zur Operation oder einer anderen Therapie.
Zunächst etwa geben sie in vielen Fällen Tipps für den Alltag, wie sich Reflux vermeiden lässt: So sollte nicht zu spät vor dem Schlafengehen gegessen werden. Ebenso sind Alkohol und Kaffee zu einer späten Uhrzeit Gift. Zu fette oder zu saure Speisen sollten vermieden werden. Wichtig ist, über den Tag verteilt viel zu trinken. Auch das Schlafen auf einer schiefen Ebene, Kopf höher als die Füße, hilft vielfach. Um die Speichelproduktionanzuregen, empfehlen sie, nach dem Essen zuckerfreies Kaugummi zu kauen. „Das legt sich wie ein Propfen auf den Mageneingang, so dass keine Magensäure und Gase austreten können“, erläutert Strahl.
Ein operativer Eingriff kann helfen
Viele seiner Patienten suchen die Praxis auch wegen einer chronischen Entzündung der Nasennebenhöhlen oder einer Mittelohrentzündung auf. Und auch sie haben in den meisten Fällen Probleme mit Reflux — häufig ohne es zu wissen, weil sie eben kein Sodbrennen verspüren. Wird der eigentliche Ursprung des Problems — also der Reflux — richtig erkannt, kann der nach oben gerutschte Magenpförtner operativ wieder nach unten gezogen werden. „So wird die Funktionalität der Speiseröhre wieder hergestellt und die Beschwerden lassen nach“, sagt Strahl.
Je nach Symptomatik lässt sich laut Strahl bei 70 bis 90 Prozent seiner Patienten ein Zusammenhang zwischen Reflux und HNO-Beschwerden erkennen. Um die richtige Diagnose stellen zu können, arbeitet Strahl gemein¬sam mit Konstantinos Zarras, Chefarzt der Klinik für Allgemein-, Unfall- und Viszeralchirurgie am St. Vinzenz- Krankenhaus, mit der sogenannten transnasalen Endoskopie: Dabei wird ein wenige Millimeter dickes Endoskop durch Nase und Rachen in Speiseröhre und Magen geschoben.
Für den Patienten ist die Untersuchung deutlich angenehmer als eine herkömmliche Magenspiegelung. „Sie tut nicht weh, sodass auch keine Narkose oder lokale Betäubung notwendig ist. Außerdem provoziert die Endoskopie durch den veränderten Zugangsweg keinen Würgereiz und die Patienten können währenddessen sogar sprechen, essen oder trinken“, zählt Strahl die Vorteile auf. Je nach Befund geben die Ärzte zunächst allgemeine Tipps (siehe Kasten). Erst wenn die Säureproduktion dauerhaft Beschwerden verursacht, verschreiben sie säurehemmende Medikamente oder es muss operativ eingegriffen werden.
Tipps für den Alltag
MAHLZEITEN
Die letzte Mahlzeit sollte etwa sechs Stunden vor dem Schlafengehen auf den Tisch kommen. Nach 15 Uhr empfiehlt HNO-Arzt Dr. Hans Michael Strahl, kein Obst mehr zu essen. Dieses vergärt im Magen und kann — bei spätem Verzehr — zu Beschwerden in der Nacht führen. Kleine Mahlzeiten über den Tag verteilt reduzieren starken Druck im Oberbauch.
KAUGUMMI
Ein zuckerfreies Kaugummi regt die Produktion von Schaumspeichel an und wird normalerweise zur Zahnpflege benutzt. Die vermehrte Bildung kommt aber auch Magen und Speiseröhre zugute, denn der Speichel setzt sich wie ein Korken auf den Mageneingang und verschließt diesen.
ABNEHMEN
Da bei Übergewichtigen die Kilos den Druck auf den Magen erhöhen, ist bei ihnen eine Gewichtsreduktion unbe¬dingt erforderlich. Ein Bauchmuskeltraining unterstützt den Körper zudem bei Atmung und Gesamtspannung.
SCHLAFPOSITION
Die horizontale Lage begünstigt den Rückfluss von Magensaft. Wer unter Reflux leidet, sollte daher mit erhöhtem Oberkörper schlafen — rund 15 Zentimeter Höhenunterschied zwischen Kopf- und Fußende reichen aus — und sich direkt nach dem Essen nicht hinlegen.
SÄUREFÖRDERND
Viele Lebensmittel fördern die Produktion von Magensäure. Dazu gehören Süßigkeiten — vor allem Schokolade — Zitrusfrüchte, Säfte, Kaffee, Alkohol, Zwiebeln, Knoblauch sowie scharfe, saure und fettige Speisen. Sie sollten ab Mittag möglichst gemieden werden.
Dr. Hans Michael Strahl untersucht eine Patientin mit dem Endoskop. RP-FOTO: KOCUR

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